Warum grillen wir mit Tropenholz? Die abenteuerliche Reise der Holzkohle nach Europa
Stellen Sie sich vor, Sie werfen im Sommer eine Bratwurst auf den Grill – und auf einmal finden Sie sich mitten im Tropenwald wieder. Klingt absurd? Ist es auch. Aber genau so könnte man die Geschichte der Holzkohle erzählen, die auf abenteuerliche Weise von fernen Ländern auf europäische Grills gelangt.
Die Steinkohle kam, sah und verdrängte die Holzkohle
Im 19. Jahrhundert brachte die Industrialisierung eine große Liebe mit: die Steinkohle. Während Holzkohle vorher Schmiedefeuer und Öfen gefüttert hatte, wurde sie plötzlich arbeitslos. Die europäischen Wälder atmeten auf, nachdem sie jahrelang geplündert wurden.
Adieu, Schweizer Köhlerei
Mit dem Ende der Holzkohle-Ära packten auch die Schweizer Köhler ihre Säcke – und verschwanden von der Bildfläche. Das Wissen über die Herstellung von Holzkohle ging verloren.
Die Wiederentdeckung der Grillkohle
Dann kamen die 70er Jahre, wir Schweizer entdeckten die Freuden des Grillens. Doch da war ein Problem: Niemand in der Schweiz wusste noch, wie man Holzkohle macht. Also schauten wir über den Tellerrand – und bestellten fleißig Holzkohle aus Übersee.
Tropenholz auf dem Grill
In tropischen Gebieten wird nach wie vor häufig Land gerodet, um Platz für landwirtschaftliche Nutzflächen wie Palmölplantagen oder Rinderfarmen zu schaffen. Dabei fällt eine große Menge an Holz an, das in vielen Fällen für die Holzkohleproduktion genutzt wird. Ein entscheidender Faktor ist, dass Holzkohle nicht mehr als „Holz“ im rechtlichen Sinne betrachtet wird. Dadurch entfällt die Pflicht, die Legalität oder Nachhaltigkeit der Holzherkunft nachzuweisen, was den Export von Holzkohle erheblich erleichtert – selbst aus Regionen, in denen illegaler Holzeinschlag verbreitet ist.
Das Resultat? Ein Großteil der Holzkohle in Europa stammt aus Ländern wie Nigeria oder Paraguay.
Der WWF-Skandal von 2018: „Wo kommt meine Kohle her?“
Bis 2018 grillten wir in der Schweiz munter mit Tropenkohle, bis ein WWF-Bericht die Party sprengte. Die Konsumenten erfuhren, dass viele ihrer Grillabende die Abholzung tropischer Wälder finanzierten.
Nach diesem Aufschrei wurde vieles besser. Heute stammt die Holzkohle in der Schweiz größtenteils aus Polen, produziert unter FSC-Richtlinien. Klingt gut, aber Polen importiert mehr Holzkohle, als es selbst exportiert. Das heißt, während wir in der Schweiz mit „polnischer“ Kohle grillen, wird in Polen billige Tropenkohle verbrannt. Ein bisschen wie bei einem Zaubertrick, nur ohne das Happy End.